Wer zum »Kampf für die weiße Rasse« aufruft, ist unschwer als rassistisch zu erkennen; den Gruß »Heil Hitler« kennen sowieso fast alle. Wer sich das Auto-Wunschkennzeichen mit der Zahl 1488 zulegt, meint genau dasselbe. Der Zahlencode steht für die Aussage »Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für weißer Kinder sichern – Heil Hitler!«. Juristisch kann die Person dafür nicht belangt werden und im Alltag stört sich kaum jemand an diesem verschleierten Bekenntnis.
Was für Außenstehende unauffällig ist, hat für diejenigen, die das Symbol (er-)kennen oder den Code entschlüsseln können, eine klare Bedeutung. Politische Symbole drücken bildhaft eine Weltanschauung aus, doch ihre Funktion reicht weit über den Transport einer politischen Botschaft hinaus: Sie dienen als Erkennungszeichen für Gleichgesinnte, vermitteln ein Zusammengehörigkeitsgefühl und stehen zugleich für Abgrenzung. Symbole zeigen: Ich bin anders, ich pflege einen bestimmten Lifestyle, ich bin Teil einer Bewegung und einer bestimmten Gruppe innerhalb dieser Bewegung. Dies muss nicht immer mit einem durchdachten und geschlossenen Weltbild einhergehen.
Die hier beschriebenen Symbole und Codes lassen sich in zwei Kategorien einteilen: die mit offenen und die mit verdeckten Botschaften. Die Ersteren dienen der selbstbewussten und oft provokanten Selbstdarstellung der Träger_innen und zielen darauf, erkannt zu werden. Anders funktionieren die Codes, die versteckten Glaubensbekenntnisse. Sie sind nur Eingeweihten bekannt und tragen somit vor allem zur Stärkung der Identität nach innen bei.
Rechte eignen sich Zeichen, Symbole, Formen, Musik und Mode aus verschiedenen Kulturen an, interpretieren sie neu und und passen sie in ihre Ideologien ein – oder sortieren sie wieder aus. Das Logo der US-amerikanischen HipHop-Band Run DMC erfuhr in den vergangenen Jahren immer neue Abwandlungen. Im Design des Logos erschienen Motive wie »KRZ BRG« (für Kreuzberg) und »FCK NZS« (für »Fuck Nazis«). Dann entdeckten auch Neonazis den Trend. Ihre Abwandlungen lauten »FCK RFG« (»Fuck Refugees«) oder »HKN KRZ« (für Hakenkreuz).
Zur selben Zeit verlor die Kufiya, das arabische Kopftuch, das als »Palästinensertuch« bekannt ist, bei Neonazis an Bedeutung. Ab Mitte der 2000er Jahre war das Kleidungsstück auf Aufmärschen häufig zu sehen. Die Neonazis deuteten es (antisemitisch) als Kampfsymbol gegen Israel und nutzten es zur Provokation von Linken, bei denen das »Palituch« damals noch verbreitet war. Als sich diese Provokation abnutzte und der »Kampf gegen den Islam« die rechte Agenda einnahm, verlor die Kufiya an Symbolwert. Sie wird heute kaum noch von Neonazis gezeigt.
Die heutigen neonazistischen Szenen »funktionieren« größtenteils ohne Uniformität, die Stil- und Symbolpalette hat sich verbreitert. Brachiale Ästhetik koexistiert mit einem modischen Erscheinungsbild. Poppige Farben und Flammenwände stehen neben schwarz-weiß-rot und Frakturschrift, Kampfstiefel wurden längst gegen Sportschuhe ausgetauscht.
Stilistisch ist erlaubt, was gefällt. Der Einzelne empfindet keinen Widerspruch darin, das mit Symbolen des Germanentums tätowierte Bein in modische Kurzsocken und New-Balance-Turnschuhe zu stecken und den Seitenscheitel mit extravaganten Bartzöpfen zu kombinieren. Man kann sich auch mit Piercings im Gesicht als »Old School Racist« fühlen und zu Adolf Hitler bekennen. Rechte Strateg_innen haben wenig Angst vor einer Verwässerung der dahinterstehenden Ideologie. So beschrieb 2007 das neonazistische Autorenkollektiv linker Niederrhein in einem Text »NPD vs. ›schwarzer Block‹«, dass die neue »Buntheit« Werbung für die eigene Bewegung sei: »Was muß sich der Jugendliche denken, wenn an ihm ausschließlich Cord-Hosen- und Braunhemd-Träger vorbeilaufen? Spricht es die Jugend nicht vielmehr an, wenn der Metal-Head oder der locker gekleidete Skater im Demonstrationszug seinesgleichen entdeckt? Oder aber der Nationalist im Stil des ›Bürokaufmanns‹ mit dabei ist?«