Für den juristischen Umgang mit extrem rechten Aussagen und Symbolen weist dasdeutsche Strafrecht zwei Paragraphen aus: §130 StGB und §86a StGB. Doch was gesetzlich klar geregelt erscheint, ist im juristischen Umgang häufig strittig.
Bild 2: Ein Neonazi auf dem Weg zu einem RechtsRock-Konzert 2017 in Thüringen zeigt auf seinem Shirt ein Hakenkreuz und die SS-Parole »Meine Ehre heißt Treue«. Für ihn fällt das Konzert aus: Festnahme und Strafanzeige wegen §86a StGB.
Laut §130 StGB liegt das Delikt der Volksverhetzung unter anderem vor, wenn jemand gegen eine »nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe« oder einzelne Gruppenzugehörige, »zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert« oder die »Menschenwürde anderer dadurch angreift«, dass er/sie entsprechende Personen »wegen deren Zugehörigkeit zu einer der vorbezeichneten Gruppen [...] beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.« Dies jedoch muss in einer Weise geschehen, die geeignet ist, den »öffentlichen Frieden« zu stören. Doch die Merkmale, an denen sich eine »Störung des öffentlichen Friedens« festmacht, sind gesetzlich nicht eindeutig festgelegt. Diese Unklarheit führt dazu, dass Polizei und Staatsanwaltschaften oft vor der Anwendung des §130 StGB zurückschrecken. Unter diesen Paragraphen fällt auch die Leugnung oder Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen und die Verherrlichung des Nationalsozialismus.
Der §86a StGB verbietet es, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu verwenden. »Kennzeichen [...] sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformeln.« Sie sind im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB) nur dann strafrechtlich relevant, wenn eine Gruppierung, die dieses Symbol benutzt (hat), verboten ist. Diesen Symbolen »stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind« oder als deren Abwandlungen dienen.
Das öffentliche Zeigen des stilisierten, gleichschenkligen Keltenkreuzes ist verboten. Jedoch nicht, weil das Symbol ein rassistisches Bekenntnis (White-Power-Zeichen) ist, sondern weil es die 1982 verbotene Volkssozialistische Bewegung Deutschlands / Partei der Arbeit (VSBD) als Organisationsabzeichen verwendet hatte. Zwanzig Jahre nach dem Verbot vermochten einzelne Richter im Zeigen dieses Keltenkreuzes keine Wiederbelebung der VSBD erkennen und entschieden, dass es nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden könne. Das Oberlandesgericht in Nürnberg widersprach im Jahre 2004 diesen Entscheidungen, und der Bundesgerichtshof stellte in einem Urteil von 2008 klar, dass das Keltenkreuz auch dann den Straftatbestand des §86a StGB erfüllt, wenn es isoliert, das heißt ohne konkreten Hinweis auf die verbotene VSBD, öffentlich verwendet wird.
Bild 3: Da das öffentliche Zeichen des stilisierten Keltenkreuzes strafbar ist, hat der Neonazi auf diesem Foto die über den Kreis hinausreichenden Balken übermalt.
Der Zusatz, wonach keine abgewandelten und »zum Verwechseln ähnlichen« Symbole gezeigt werden dürfen, macht den §86a zum Gummiparagraphen – und er sorgt für uneinheitliche Rechtsprechung.
Im Jahr 1999 bewertete das Landgericht Frankfurt am Main den Gruß »88«, der in einer Neonazi-Zeitschrift abgedruckt war, als Ersatzhandlung für »Heil Hitler« und verurteilte den Schreiber und den Verkäufer der Publikation rechtskräftig. Andere Gerichte folgten dieser Auffassung nicht und das Frankfurter Urteil blieb ein Einzelfall.
Ein weiteres Beispiel für Symbol-Versteckspielerei ist das Motiv »Bossmodus«. Es zeigt den Schriftzug »Bossmodus« mit einem Balken mit Inschrift »zensiert« über den Buchstaben SS. Die beiden Buchstaben sind farblich hervorgehoben und trotz der »Selbstzensur« als zwei Sig-Runen, nämlich das verbotene Organisationsabzeichen der SS ("Doppelblitz"), zu erkennen (Bild 4). Das Motiv wird seit 2015 von Gerichten als strafbar bewertet. Dabei spiele, so ein Urteil von 2015, das Erscheinungsbild des gesamten Aufdrucks eine Rolle. Vor allem liefern die Neonazis mit dem Balken »zensiert« selbst den Hinweis, dass sie unzweifelhaft (wenngleich nicht vollständig) das SS-Zeichen abbilden. Trotz der Urteile von 2015 wurde im Jahr 2017 bei mehreren Neonazi-Aufzügen das Tragen dieses Shirts nicht von der Polizei unterbunden.
Bei öffentlichen Auftritten können Polizei und Ordnungsamt das Zeigen bestimmter legaler Symbole zur Abwehr »konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung« untersagen. Dies betraf in der Vergangenheit unter anderem Motive nd Marken mit der Buchstabenfolge NS. Wiederholt mussten bei Aufmärschen diese Buchstaben abgeklebt oder verhüllt werden, betroffen war unter anderem auch die nicht-rechte Marke LONSDALE (Bild 5). Für neonazistische Aufmärsche und Konzerte werden in der Regel Auflagenkataloge erlassen, die bestimmte Zeichen und Parolen verbieten.
Für den neonazistischen »Tag der Deutschen Zukunft« (TDDZ) 2013 in Wolfsburg betraf das unter anderem die Parole »Wie geil«, die ähnlich klingt wie »Sieg heil« und aus diesem Grund skandiert wird. Die Neonazis brachten daraufhin zum TDDZ 2013 Shirts mit Aufschrift »Wie geil« in Umlauf – das Verbot wurde postwendend zur Inspiration für ein neues Motiv (Bilder 6 und 7).
Zudem kann das Zeigen bestimmter Symbole per Hausordnung untersagt werden. So ist das Tragen von Kleidung der Marke Thor Steinar im Bundestag, im Schweriner Landtag sowie in manchen Fußballstadien verboten. In der derzeit geltenden Hausordnung des Schweriner Landtags heißt es: »Das Tragen der Modemarken »Thor Steinar«, »Consdaple« und ihnen zugehöriger Label sowie sonstiger Modemarken mit Kundenorientierung im extremistischen Umfeld ist im Landtag nicht gestattet.« Hausordnungen können jedoch nur in den eng abgesteckten Räumen durchgesetzt werden, in denen ein Hausrecht Geltung hat. Ein Neonazi kann die Jacke über seinem Thor Steinar-Shirt schließen, wenn er den Raum des Fußballstadions betritt und unmittelbar nach dessen Verlassen wieder öffnen. Doch wenn er am Getränkestand die Jacke öffnet, um seinen Geldbeutel hervorzuholen, und das Shirt kurz anderen sichtbar wird, dann kann ein Hausverbot ausgesprochen werden.