Die ursprüngliche Irminsul war eine Holzsäule, die in Sachsen als Heiligtum verehrt und 772 zerstört worden war. 1929 glaubte der nationalsozialistische Laienforscher Wilhelm Teudt die Irminsul zu erkennen: als einen geknickten Baum in einem christlichen Relief, das die Kreuzabnahme Christi zeigt. Teudt deutete dies als Ausdruck des Sieges des Christentums über das Heidentum. Indem er den Baum zeichnerisch aufrichtete, stand diese nun neu erfundene Irminsul für die (Wieder-)Erhebung des Heidentums über das Christentum. In dieser Darstellung und mit dieser Deutung wurde die Irminsul im Nationalsozialismus verwendet, sie war dort unter anderem das Symbol der SS-Forschungseinrichtung »Ahnenerbe«.
Die NS-Irminsul ist häufig Bestandteil von Gruppenkennzeichen (Bild 2). Zusammen mit sieben Sternen bildet diese Irminsul heute das Organisationssymbol der heidnisch-neonazistischen Artgemeinschaft.
Darüber hinaus ist der Irminsul genannte Baum auch außerhalb der extrem Rechten verbreitet. Kreise des esoterischen Heidentums deuten ihn als den Lebensbaum oder Weltenbaum der germanischen Mythologie, was historisch nicht herleitbar ist. Vielmehr erfährt ein originäres NS-Symbol eine Umdeutung und Entpolitisierung.
Bild 3: Die Umhängetasche der Teilnehmerin eines Neonazi-Treffens in Thüringen 2013 zeigt die NS-Irminsul und zwei schwarze Vögel. Diese stellen in der germanischen Mythologie die beiden Raben Hugin und Munin dar.
Bild 5: Die NS-Irminsul als Sippensymbol und Ersatz-Hakenkreuz auf dem Booklet einer 2015 veröffentlichten CD der neonazistischen Black-Metal-Band Aus dem Norden.
Bild 6: Die hölzerne Irminsul auf der Hochzeit eines Hammerskins in Hessen im Jahr 2017.